Wenn es um das Primärarztprinzip geht, sind viele der Meinung, dass damit der Hausarzt gemeint sei. Das ist aber viel zu kurz gegriffen, denn der Hausarzt ist nur einer der hier angesprochenen Ärzte und Ärztinnen. Zu den Primärärzten werden die folgenden Heilbehandler gezählt:
- der niedergelassene praktische Arzt, häufig auch als Allgemeinmediziner bezeichnet, den man auch heute noch gerne seinen Hausarzt nennt;
- der Augenarzt;
- der Gynäkologe;
- der Kinderarzt;
- der Notarzt sowie
- der Bereitschaftsarzt.
Merke:
Ein Internist gehört nicht zu den Primärärzten im Sinne der Versicherungs- oder Tarifbedingungen.
Gleichwohl kann es Hausärzte geben, die auch Internisten sind. Im Zweifel fragen Sie Ihren Krankenversicherer, ob Ihr „Hausarzt“ zu den Primärzten zählt, bzw. von Ihrem Versicherer als solcher akzeptiert ist.
Es gibt tarifliche Unterschiede
Beim Primärarztprinzip gibt es unterschiedliche Ausprägungen. Die meisten Krankenversicherer schreiben vor, dass die Erstversorgung durch einen der o. g. Mediziner erfolgen muss. Sollte eine Überweisung zum Facharzt notwendig sein, dann erfolgt diese Überweisung durch den Erstbehandler.
Bei Missachtung dieses Prinzips, werden in der Regel die angefallenen Kosten bei einem Facharzt nicht in voller Höhe erstattet. Die dadurch verbleibenden Restkosten liegen normalerweise zwischen 20 und 25 Prozent und sind vom Versicherungsnehmer selbst zu tragen.
Ausnahmen:
Mancher Krankenversicherer hat auch eine etwas weichere Regelung. Hier ist es möglich eine Überweisung zum Facharzt sozusagen nachzureichen. Andere belohnen die Einhaltung des Primärarztprinzips durch die Halbierung des tariflichen Selbstbehalts.
Primararztprinzip-Vorteile für Versicherer und Patienten
Das Primararztprinzip bietet Vorteile für beide Seiten. Die zu den Primärärzten zählenden Mediziner rechnen in einem geringeren Gebührenspektrum ab. Hier liegt der Höchstsatz bei 2,3 und wird häufig gar nicht erreicht. Fachärzte dagegen beginnen erst bei diesem Gebührensatz mit ihrer Liquidation, wobei der Höchstsatz 3,5 beträgt.
Ein weiterer Grund, der die Kosten positiv beeinflusst ist, dass die Fehldiagnostik des Patienten ausbleibt. Nur weil jemand Rückenbeschwerden hat, heißt das nicht, dass das von einem Orthopäden behandelt werden kann. Möglicherweise hat es mit dem Nervensystem zu tun und hier wäre der Neurologe der richtige Heilbehandler.
Beispiel:
Durch die eigene Fehleinschätzung erhält der Versicherter zwei Facharztrechnungen. Bei einer Erstbehandlung durch einen Hausarzt, wäre der Versicherter direkt an den Neurologen überwiesen worden. In diesem Fall hätte der Versicherungsnehmer zwar ebenfalls zwei Rechnungen erhalten, aber die des Hausarztes wäre erheblich geringer ausgefallen, als die eines Facharztes.
Die Versicherer wollen durch das Primärarztprinzip Kosten sparen, diesen Vorteil geben sie in Form eines günstigeren Beitrags in Primärarzt-Tarifen an Sie als PKV-Kunden weiter.
Die Schattenseite der Primärarzttarife: Primärarztprinzip als Nachteil
Wo Licht ist, da ist auch Schatten – und Primärarzttarife bergen auch Nachteile. Ob das Prinzip der Erstbehandlung durch einen bestimmten Typ von Arzt ein Nachteil ist, hängt in der Betrachtungsweise auch stark vom eigenen Empfinden ab. Wer eine Affinität zu seinem Hausarzt hat, für den ist er prinzipiell die erste Anlaufstelle. Daher ist das keine reale Einschränkung.
Der Nachteil ist aber für den Kunden spürbar, der es gewohnt ist sich direkt von einem Facharzt behandeln zu lassen. Wer ohne Umweg direkt zum eigentlichen Ziel möchte, für den ist das Primärarztprinzip nicht wirklich geeignet.
Günstig ist nicht immer preiswert. Wer auf niedrigere Beiträge setzt, der muss bereit sein, höhere Zuzahlungen zu leisten oder auf Gesundheitsleistungen zu verzichten. Hier gilt es, bereits vor dem Einkauf die Weiche zu stellen. Bei der Entscheidung für die eigene PKV sollte das Urteil nicht „gut gemeint“ ausfallen, sondern „gut gemacht“.
Letztlich geht es bei der PKV generell um die Qualität von Versicherungsschutz. Warum gibt es dann diese Art von Tarif überhaupt?
Versicherer schaffen zur Nachfrage ein Angebot
Die Krankenversicherer sind mit diesem Tarifsegment vor allem dem Ruf von Vermittlern und Kunden gefolgt, die sich preiswerten Versicherungsschutz gewünscht haben. Tatsächlich hat die PKV nur auf die Nachfrage reagiert und dann ein entsprechendes Angebot geschaffen.
Soll der Beitrag niedrig sein, muss die PKV den „Leistungshahn“ etwas zudrehen. Das erfordert Kreativität. Mit dem Primärztprinzip schränkte man den Facharztbesuch ein, um die Behandlungen mehr auf bestimmte Arzttypen zu verlagern, die in einem geringeren Gebührenspektrum abzurechnen pflegen. Niedrigere Kosten führen zu günstigeren Beiträgen.
Das ist aber eigentlich gar nicht der Anspruch, den die PKV hat. Denn im Regelfall geht es um qualitativ hochwertigen Versicherungsschutz zu angemessenen Preisen.
Manche Versicherer setzen auch heute noch auf „billig“
Dennoch scheint der Erfolg dieser Low-Budget-Strategie Recht zu geben. Bedauerlicherweise ist in Deutschland eine „Geiz-ist-geil“ Mentalität beheimatet und manche Krankenversicherer setzen deshalb auch heute noch auf die Billig-Strategie.
Die Probleme werden sich erst sehr viel später zeigen. Wer sich heute für eine solche private Krankenversicherung entscheidet, der ist normalerweise zwischen Mitte zwanzig bis Anfang, Mitte dreißig und in der Regel kerngesund. Leistungen fallen in den ersten Vertragsjahren kaum an und Lücken im Versicherungsschutz werden erst nach zehn, fünfzehn Jahren sichtbar, wenn die ersten größeren Behandlungsmaßnahmen erfolgen. Ob sich die Entscheidung für einen Billig-Tarif dann noch heilen lässt, ist fraglich.
Nicht unheilbar – trotzdem nicht gesund
Wer bereits in einem Primärzttarif ist und seinen Versicherungsschutz aufwerten möchte, der kann oftmals auf ein Optionsrecht das im Tarif verankert ist zurückgreifen, um seinen Vertrag zu heilen. Viele Versicherer nutzen solche Tarife für Einsteiger und bieten daher Anreize, den Versicherungsschutz ohne erneute Gesundheitsprüfung zu erweitern.
Wurde der Zeitpunkt der Option verpasst, dann erfolgt der Tarifwechsel unter normalen Bedingungen nach § 204 VVG. Sollten die gesundheitlichen Verhältnisse nicht optimal sein, dann ist es nicht leicht die Einschränkung „Primärarztprinzip“ gegen „unbeschränkt“ einzutauschen. Mögliche Folgen sind Risikozuschläge oder auch eine Vereinbarung, die am Primärarztprinzip weiter festhält. Hier hilft qualifizierte Beratung weiter.
Auch wenn sich manchmal „falsche“ Entscheidungen heilen lassen, ist der neue Versicherungsschutz im Ganzen nicht immer gesund.